Remote Regie und Shotlist für Konzertproduktion

Am 4. Februar 2024 führte das TU Orchester im Rahmen der Premiere des Konzerts im Wintersemester unter anderem das Stück „cONCERTO fOR tUBA, Op. 139“ von Jorge Salgueiro auf. Da im Vorhinein schon bekannt war, dass eine Veröffentlichung einer etwaigen Aufnahme möglich sein würde, begannen wir schon früh mit der Planung einer komplexen Shotlist1). Erst später begann die technische Planung um am Ende 6 Kameras im Audimax während der Premiere mit Besuchern! unterzubekommen.

Die Shotlist

Zunächst wurde die Partitur in einzelne Shots unterteilt. Diese Shots wurden nummeriert und zusätzlich mit der gewünschten Instrumentengruppe beschriftet. In einem zweiten Schritt wurden diese Informationen dann in eine Tabelle übertragen und mit weiteren Hinweisen für die Kamerapersonen versehen (slow zoom out oder Schwenk, etc.). Diese Tabelle konnte dann in einem dritten Schritt in unser selbst geschriebenes und browserbasierte Shotlist-Tool importiert und über schon bestehende Videoaufnahmen, bzw. die Generalprobe eine ungefähre zeitliche Länge der Shots ermittelt werden. Gegenüberstellung von Partitur und Shotlist-Tool

Die technische Planung und Aufbau

Die Anzahl der Kameras war von Anfang an bestimmt und richtete sich nach gewünschten Perspektiven und passendem verfügbaren Material. Über den Sitzreihen sollte es zwei besetzte Kameras und eine Totale geben. Zudem benötigten wir eine dedizierte Kamera für den Solisten und den Dirigenten. Diese platzierten wir vor der ersten Reihe und im Orchester auf möglichst kleinen Stativen um das Gesamtbild des Orchesters nicht groß zu stören. Zudem wurde eine mittelgroße besetzte Kamera seitlich des Orchesters platziert um alle weiteren Instrumente abzufangen, die nicht von den großen Kameras oben erreicht werden können.

Für die Kamerasignale/Glasfasern wurden dann passende Kabelwege zur Regiekabine geplant. Dort wurden dann alle Signale auf ein IP-basiertes Protokoll gewandelt und zu unserer Regie in der Zimmerstraße geschickt. Das sparte uns letzlich einiges an Aufbauaufwand am Freitag vor der Generalprobe, da wir nur die Kameras und etwas Zubehör mitnehmen mussten. Das verladene Equipment im Transporter für das Audimax

In unserer Regie wurden in den Wochen davor schon die benötigten Arbeitsplätze vorbereitet:

  • Partitur-Regie zum Weiterschalten der Shots im Shotlist-Tool während die Partitur eines Stückes mitgelesen wird!
  • Ersatz-Regie für die Moderation zwischen den Stücken. Hier ist der genaue Ablauf vorher nicht bekannt, somit muss der Regisseur hier schnell den Kameraleuten über die Interkom Anweisungen geben und selbst die Kameras umschalten. (Zudem bekommt die Partitur-Regie dann eine kurze Pause)

Der Zweit-Regisseur bei der Arbeit in der Ersatz-Regie

  • Bildingenieur zum Fahren der Blenden aller besetzten Kameras und evtl. weiterer notwendigen Chroma-Anpassungen. Dazu bauten wir im Vorhinein schon ältere Sony Remote-Control-Panels um, damit diese das ATEM-Protokoll unseres Videomischers sprechen und somit der Videomischer direkt die Steuerinformationen über den Rückkanal an die Kameras senden kann. Außerdem wurde kurz vorher noch eine Adapterlösung gebaut um die Kamera 3 (JVC GY-HM700) auch über das ATEM-Protokoll steuern zu können. Dazu wird es vermutlich in einem zukünftigen Blogbeitrag weitere Infos geben.

Der Bildingenieur bei der Blendensteuerung von Kamera 3

Die Generalprobe

Bei der Generalprobe konnten sich die neuen Kameraleute dann schon einmal mit der Bedienung der Kameras vetraut machen und das Shotlist-Tool kennenlernen. Dazu konnten sie sich mit einem mobilen Endgerät in ein vorher aufgespanntes WLAN einklinken, die passende interne Website aufrufen und die aktuelle Produktion auswählen. Nach der Eingabe der eigenen Kameranummer sind dann alle Shots der eigenen Kamera untereinander aufgelistet. Zudem besteht die Möglichkeit das Fenster zu teilen und sich in der anderen Hälfte alle kommenden Shots aller Kameras anzeigen zu lassen. Kameraperson an der Boxoptik

Während der Durchlaufprobe konnte dann die Partitur-Regie die Shots entsprechend der Partitur zum richtigen Moment mit der Leertaste weiterschalten. Die Kameraleute sahen dann anhand von farbigen Balken die ungefähre Dauer des aktuellen Shots (ganz oben) und der daraufollgenden.

Die Aufführung

Beginnend mit der Ersatz-Regie wurde das anfängliche Stimmen der Instrumente geschnitten. Dann erfolgte eine klar definierte Übergabe an die Partitur-Regie. Die Kameraleute mussten sich dann ganz auf das Shotlist-Tool konzentrieren. Besonders herausfordernd war dabei natürlich, dass die Länge der Balken im Tool immer nur eine Schätzung sein konnte. Jedes Orchester spielt von Aufführung zu Aufführung immer etwas unterschiedlich schnell. So kann es sein, dass der nächste Shot schon etwas früher angewählt wird, als erwartet oder das ein Shot noch etwas „stehen“ bleibt. Also mussten die Kameraleute immer noch zusätzlich ihr Tally im Blick behalten, ob sie denn gerade tatsächlich nicht mehr auf Sendung sind und den nächsten Shot vorbereiten können, gerade um diesen dann auch rechtzeitig zu erreichen. Denn auch wenn jeder Shot noch manuell ausgewählt wird, die Regie hat in dem Moment keine Zeit um noch zu gucken, ob der Shot schon stimmt. Beim Anwählen des Shots wird direkt beim Videomischer die jeweilige Kamera auf das Sendebild geschaltet (direct punch).

Rekapitulation

Nach insgesamt 815 aufeinanderfolgenden Shots (davon 156 für das veröffentlichte Tubakonzert) in den 2h der Aufführung waren wir sehr glücklich mit dem Ergebnis. In der Aufnahme des Multiviews haben wir die Stellen hervorgehoben, an denen wir im Nachhinein im Schnitt noch die Kamera gewechselt haben. Schaut selbst nach, das waren nicht viele ;)

Abschließen möchten wir noch dem TU Orchester danken. Solche eine Produktion bedeutet zwangsläufig auch mehr Planungsaufwand, einen komplizierteren Aufbau und potenziell störende Hintergrundgeräusche während der Generalprobe. Kurzum: uns diese Produktion zu ermöglichen war nicht selbstverständlich! Zudem möchten wir der TU Medientechnik für das beständige Vertrauen und der unkomplizierten Zusammenarbeit danken.

1) Storyboard in Textform; Auflistung aller Shots